Reisebericht Tansania
Kurzes Interview mit einer Lockdown-Exilantin, Februar 2021
Im Februar 2021, wenige Wochen vor dem unerwarteten Tod des Staatspräsidenten John Magufuli, interviewte ich eine Urlauberin aus Deutschland, die mit ein paar Freunden mitten im langen deutschen Winter-Lockdown nach Tansania gereist war, um „einfach mal auszuspannen“. Sie berichtete mir von einem Land, in dem Corona praktisch nicht stattfand, der Staat völlig andere Wege ging und die Tansanier stolz auf ihren Sonderweg waren. Eine Momentaufnahme.
von Aya Velázquez, 10.03.2021
Ihr seid mitten in Corona-Zeiten nach Tansania gereist. Wie kam es zu dieser Reise?
Wir informieren uns schon seit einiger Zeit regelmäßig über die sozialen Netzwerke nach Orten, wo man noch relativ frei, also ohne Kontaktbeschränkungen und Maske Urlaub machen kann. Dabei sind wir auf Tansania gestoßen und entschieden uns kurzerhand, mit einer Gruppe von Freunden für zwei Wochen dorthin zu verreisen. Nach einem Flug über Prag mit Qatar Airways - den wir dankenswerterweise mit Maske unter dem Kinn verbringen durften - sind wir in Dar-es-Salaam gelandet. Das Visum kauft man direkt bei der Einreise, da steht man an mehreren Schlangen mit Schalterbeamten an. Mich hat zunächst ein wenig irritiert, dass manche Beamte Maske trugen, andere nicht. Unser Tourguide klärte uns später auf, dass John Magufuli, der Präsident von Tansania, die Menschen frei entscheiden lässt, ob sie eine Maske tragen wollen oder nicht.
Damit verfolgt er einen liberaleren Ansatz als viele westliche Demokratien.
Genau. Letztes Jahr ging die Geschichte durch die internationalen Medien, dass Magufuli den PCR-Test an seiner Ziege, einer Papaya und Motorenöl getestet hatte. Nachdem der Test auf all diese Dinge positiv angeschlagen war, erklärte er ihn kurzerhand für Geschichte. Seine Erklärung dazu lautete, sein Land hätte bereits genug mit der Bekämpfung von Malaria, Dengue und Gelbfieber zu tun, daher werde man sich nicht noch gesondert um eine weitere, fieberhafte Erkrankung kümmern, sondern insgesamt mehr Hygieneregeln beachten. Wer möchte, könne freiwillig eine Maske tragen – ein Zwang zur Maske bestünde jedoch nicht.
Was macht Tansania in der Corona-Politik noch anders als andere Länder?
Magufuli hat eine offzielle Anordnung zur „Steigerung des Immunsystems“ erlassen. Wir haben bei einer tansanischen Familie gewohnt, deren Mann für die Regierung arbeitet. Wir erhielten von ihm jeden Tag exklusiv das „Immunpaket“ des Präsidenten, das seine Frau für uns zubereitete. Man trinkt am Abend einen Corona-Tee, bestehend aus Ingwer, Zitronengras und den frischen Blättern vom Lemon Tree, vom Zitronenbäumchen. Eine grüne Soße, sehr scharf. Diese trinkt man, damit die Rachenschleimhaut gereinigt wird von eventuellen Bakterien oder Viren die sich dort angesammelt haben könnten. Am Morgen soll jeder einen „Corona-Shot“ zu sich nehmen, bestehend aus Ingwer, Knoblauch, roten Chili-Schoten, Zitronengras, ausgepressten Zitronen und Grapefruits. Darüber hinaus sollen die Leute, gemäß Magufulis Anweisung und entgegen der Social Distancing-Politik im Rest der Welt, bewusst ihre sozialen Kontakte pflegen – laut Magufuli, damit „Gehirn und ihre Seele fröhlich und offen bleiben“. Die Menschen werden von ihm außerdem dazu angehalten, zu meditieren und zu beten, denn nur wenn die Seele offen bliebe, könne der Körper Krankheiten wirksam bekämpfen. Das ist doch mal eine Aussage eines Präsidenten, oder?
Für den Präsidenten eines sozialistischen Landes hört sich das recht „durchgeistigt“ an. Wie kommt seine Politik bei den Tansaniern an?
Wir haben uns mit vielen Menschen unterhalten. Alle erzählten uns, sie stünden voll und ganz hinter der Politik ihres Präsidenten und schauten mit großer Sorge nach Europa, insbesondere auf Frau Merkel. Sie sind sich sicher, hätten sie eine Regierungschefin wie Merkel, dann wären auch sie alle im Lockdown gelandet. Sie sind sehr dankbar darüber, dass ihr Regierungschef momentan anders agiert als der Rest der Welt. Ein Massai, den ich am Strand traf, riet mir, doch einfach hier eine Hütte am Strand zu mieten, bis der Wahnsinn in der Welt vorbei sei.
Wie sieht es aus mit dem sozialen und kulturellen Leben? Hat alles uneingeschränkt offen?
Ja, alles ist geöffnet - Bar, Cafes, Restaurants. Es wurde großer Augenmerk darauf gelegt, dass die Kinder weiterhin in die Schule gehen– damit sie, gerade in diesen Zeiten, verstehen was in der Welt passiert. Auf Sansibar trafen wir viele andere Touristen. Alle waren politisch eigentlich genau so eingestellt wie wir – heilfroh, endlich mal rausgekommen zu sein. Wir trafen viele Russen, Tschechen, Schweden, Dänen und Spanier. Absolut jeder, an jeder Bar, an jeder Theke, freute sich einfach nur, „draußen“ zu sein. Es fühlte sich nach Gemeinschaft an, weil alle das gleiche Grundgefühl hatten: Gott sei Dank, weg von zuhause, das ist ja nicht mehr auszuhalten in der „westlichen Welt“.
Tansania, das neue Lockdown-Exil?
Genau. Ähnlich wie auf einer Demo in Deutschland trifft man hier auf Gleichgesinnte. Das gab mir, trotz der Lage der Welt, ein gutes Gefühl. Direkt zu erleben, dass wir nicht nur ein Haufen Versprengte aus Deutschland sind, die gegen Frau Merkel demonstrieren – sondern eine weltweite Bewegung von Menschen, die sich entgegen der aktuellen Restriktionen ein Leben in Frieden und Freiheit wünschen - das hat mir unglaubliche Energie gegeben. Ich bin dadurch ein stückweit motivierter ins „Lockdown-Gefängnis Europa“ zurückgekommen – mit neuer Energie, um weiterzukämpfen.